Museumsberatung - Chancen, Möglichkeiten und Grenzen

Museumsberatung - Chancen, Möglichkeiten und Grenzen

Organizer(s)
Bezirk Oberfranken und Hanns-Seidel-Stiftung
Location
Bad Staffelstein
Country
Germany
From - Until
28.05.2008 - 30.05.2008
Conf. Website
By
Barbara Christoph, Servicestelle für Museen, Bezirk Oberfranken

Im Mittelpunkt eines dreitägigen wissenschaftlichen Symposiums, organisiert vom Sachgebiet Kultur- und Heimatpflege des Bezirks Oberfranken zusammen mit der Akademie der Hanns-Seidel-Stiftung, stand die Frage nach dem Wie von Museumsberatung.
Eröffnet wurde das Seminar von Bezirksheimatpfleger GÜNTER DIPPOLD. In unterhaltsamer Art und Weise stellte er zu Beginn der Tagung entscheidende Fragen: Was ist Zielpunkt der Beratung? Wie viel Zentralität braucht Beratung? Wie wird man Berater? Heißt Beratung fertige Konzepte zu beurteilen oder an deren Entstehung mitzuwirken? Wie weit kann eine solche Mitwirkung gehen? Hat Museumsberatung eine überörtliche, gar landesplanerische Ausrichtung? All diesen Fragen und noch vielen mehr gingen die Referenten und die diskussionsfreudigen Teilnehmer an den drei Tagen nach.
Im Auftaktvortrag mit dem Titel „Von alten und neuen Forderungen an die Institution Museum“ näherte sich der Kunsthistoriker DETLEF HOFFMANN, München, dem Thema Museum. Kurzweilig schlug er einen historischen Bogen über die Jahrhunderte hinweg und unterstrich dabei die Bedeutung des Museums als eines Ortes des lustvollen und sinnlichen Lernens. Während es die Bürgerschaft bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts es durchaus gewohnt gewesen sei, sich den regelmäßigen Museumsbesuch selbst zu organisieren, d.h. sich selbst im Museum zu bilden, sei es seit den 1970er Jahren selbstverständlich, dass Museen sozial freundlich gestalten würden. Kultur sei für alle verfügbar; dementsprechend habe sich auch die didaktische Aufbereitung der Ausstellungen zu gestalten. Museen würden heute nicht mehr primär als Ort der Bildung, sondern als Ort des Freizeitvergnügens gelten. In Folge dessen habe die Institution immer öfter in den direkten Konkurrenzkampf mit anderen Freizeiteinrichtungen wie Themenparks zu treten. Dieser direkte Vergleich, so Hoffmann, sei aber grundlegend falsch, denn er gehe über die Qualitäten des Museums, die in der Bedeutung des authentischen Objektes achtlos hinweg. In seinem Schlussplädoyer forderte Hoffmann die Museen auf, sich ihren neuen Aufgaben, die ihnen durch den gesellschaftspolitische Wandel zukämen, nämlich Orte der sozialen Begegnung, der sozialen Kontakte zu sein, zu stellen und wahrzunehmen.
Am Donnerstag referierte der Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege in München, EGON JOHANNES GREIPL, von 1989 bis 1993 selbst Leiter der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, über „staatliche Museumsberatung und die Entwicklung der nichtstaatlichen Museumslandschaft in Bayern“. Er stellte vor allem die Entwicklung und Tätigkeiten der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern in den letzen 30 Jahren dar. Zu den Hauptaufgaben der Landesstelle gehörten, so Greipl, die Organisation und Durchführung von museumsfachlichen Fortbildungen, Seminaren, Workshops und Tagungen. Ferner erschließe sie die bayerische Museumslandschaft mit einem breiten Informationsangebot für Museumsbesucher und Fachleute. Greipl wies in diesem Zusammenhang besonders auf das Handbuch der Museen in Bayern, das die Landesstelle herausgibt, und auf den von ihr betreuten Infopoint „Museen & Schlösser“ in München hin.
Im Anschluss gewährte KATJA MARGARETHE MIETH, Direktorin der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen in Chemnitz, aufschlussreiche Einblicke in die „konzeptionellen Überlegungen zur Museumslandschaft Sachsen“. Untermauert durch zahlreiche Daten erklärte sie die Tätigkeiten ihrer Behörde, wobei sie besonders die zugrundeliegenden Ziele und Notwendigkeiten nachvollziehbar machte. Mieth machte dabei besonders deutlich, dass sich die Landesstelle für Museumswesen als „Partner von Sachsens Museen“ verstehe. Sie lege großen Wert auf klare Kompetenzen, transparente Kommunikation, verlässliche Aussagen, nachvollziehbare Entscheidungen und zuverlässiges Handeln. Wichtig sei der Landesstelle die Einbindung der elf „Kulturräume“ Sachsens.
Zwei Vorträge beschäftigten sich mit der Qualifizierung von Museumsmitarbeitern und Museumsberatern. GUDRUN M. KÖNIG, Professorin für Kulturanthropologie des Textilen an der TU Dortmund, stellte in ihrem Vortrag die Frage „Bilden oder ausbilden?“ und gab Einblicke in die universitäre Perspektive der Museumsberatung. Aufgabe der Universitäten könne es ihrer Meinung nach nicht sein, direkt für das praktische Berufsfeld Museum oder gar für die Museumsberatung auszubilden. Vielmehr müsse die Universität den Studenten für diese Berufsfelder fachwissenschaftlich bilden; allenfalls könne sie Interesse für das Arbeitsfeld Museum wecken. Eine konkrete Ausbildung für das Museumswesen könne nur im Rahmen von Volontariaten an Museen erfolgen. König forderte jedoch auf, über eine engere Verzahnung von praktischer Ausbildung am Museum im Volontariat und wissenschaftlicher Weiterqualifizierung durch eine Promotion nachzudenken. Dies scheine ihr als geeigneter Weg, um für das Museumswesen qualifiziertes Personal auszubilden.
Der Leiter des Programmbereichs Museum an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel ANDREAS GRÜNEWALD STEIGER reflektierte über das Thema „Beratung oder Weiterbildung? Über das Odysseus-Prinzip in der beruflichen Fortbildung“. Seiner Meinung nach müsse sich der Museumsberater heutzutage wie Odysseus zahlreichen Abenteuern stellen, ihm stünden aber Fortbildungseinrichtungen zur Seite, die wiederum ihm beratend Hilfe leisten könnten. Das Fortbildungsprogramm der Bundesakademie in Wolfenbüttel richte sich, so Grünewald Steiger, nicht an die Endverbraucher, also die Museumsbesucher, sondern speziell an die Multiplikatoren, die Museumsmacher. Mit seiner Forderung, die Tätigkeiten im Museum auf breiter Basis zu professionalisieren, stieß er bei den Zuhörern auf breite Zustimmung.
Nach den eher theoretischen Überlegungen zeichnete KLAUS REDER, Bezirksheimatpfleger des Bezirks Unterfranken, sehr lebhaft – da praxisnah – das Spannungsfeld zwischen staatlicher Beratung und regionaler Kulturarbeit nach, in dem sich die Museumsplanung seiner Meinung nach befinde. Er sparte nicht mit Kritik an einer Förderpolitik, die ohne Abstimmung unterschiedlicher Geldgeber untereinander und ohne Rücksicht auf regionalplanerische Überlegungen vollzogen werde. In seinem Zehn-Punkte-Programm forderte er u. a. regionale Zentraldepots, eine engere Verzahnung von Baudenkmalpflege und Museumsberatung, eine Abstimmung der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern mit den Kulturabteilungen der Bezirke, die Durchführung regionaler Museumstage und vor allem wirksame Kontrollmechanismen, die Struktur gebend in Museumsplanungen eingreifen sollten. Besonders mit seiner Forderung nach zentralen Depots erntete Reder unter den Zuhörern großen Beifall und Zustimmung.
Mit „Grenzen und Möglichkeiten der privaten Museumsberatung“ setzte sich CHRISTIAN SCHÖLZEL, der Gründer von „Culture and More“ in München, einer Agentur für Forschungs- und Kulturprojekte, auseinander. In der anschließenden Diskussion wurde sehr deutlich, dass die private Museumsberatung – oder eher Museumsdienstleistung – keine über die Perspektive des Einzelfalls hinausgehenden Ziele verfolge und somit ausschließlich Projektarbeit leisten könne, im Gegensatz zu den staatlichen oder öffentlichen Beratungsinstitutionen. Private Unternehmen und öffentliche Stellen könnten sich jedoch in ihrer Arbeit für Museen ergänzen.
Einen geradezu visionären Ausblick auf das Thema Museumsberatung gab MARTIN ROTH, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, am Freitagmorgen. Ausgehend von seinem Zitat „Es gibt Zeiten, in denen ist das Konservativste das Revolutionärste!“ stellte er die Museumsberatung vor neue Aufgaben. Nicht Beratung, sondern Beteiligung, lautete sein Credo für die Zukunft der Museumsberatung. Sie müsse sich für die konkrete, auf die Sammlung bezogene Arbeit der Museen mit in die Pflicht nehmen lassen. Mit seiner Aussage zu Beginn seines Vortrags, wonach es den Museen in diesem Lande extrem gut gehe, überraschte Roth seine Zuhörer. Es gehe nicht darum, die Vergangenheit zu verwalten, sondern es gehe darum, die Vergangenheit über Generationen verfügbar zu machen; im Mittelpunkt hätten folglich die Sammlungen und deren Pflege zu stehen. Die Museumsberatung stellte er insbesondere vor die wichtige Aufgabe, den Bedarf an diesbezüglicher Beratung zu systematisieren und schließlich neu zu definieren.
Zum Ende des Symposiums erläuterte die unterfränkische Bundestagsabgeordnete DOROTHEE BÄR die Empfehlungen der Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ für das Museumswesen. Der Vortrag leitete in eine angeregte und durchaus kontroverse Abschlussdiskussion über.
Gerade diese Gesprächsrunde machte deutlich, wie brennend eine kritische Hinterfragung des Themas war. Das Banzer Symposium konnte nicht alle Fragen beantworten, aber es hat die notwendige Reflexion angestoßen.

Kurzübersicht:

Renate Höpfinger: Eröffnung und Begrüßung
Günter Dippold: Einführung

Detlef Hoffmann: Von alten und neuen Forderungen an die Institution Museum

Egon J. Greipl: Staatliche Museumsberatung und die Entwicklung der nichtstaatlichen Museumslandschaft in Bayern

Katja Margarethe Mieth: Konzeptionelle Überlegungen zur Museumslandschaft Sachsen

Klaus Reder: Museumsplanung im Spannungsfeld zwischen staatlicher Beratung und regionaler Kulturarbeit

Hans Joachim Klein: Große und kleine Museen – Handlungspotentiale und Beratungsbedarf

Andreas Grünewald Steiger: Beratung oder Weiterbildung? Über das Odysseus-Prinzip in der beruflichen Fortbildung

Gudrun König: Bilden oder ausbilden? Universitäre Perspektiven der Museumsberatung

Christian Schölzel: Grenzen und Möglichkeiten der privaten Museumsberatung

Dorothee Bär: Der Abschlussbericht der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" und seine Bedeutung für das Museumswesen

Martin Roth: "Es gibt Zeiten, da ist das Konservativste das Revolutionärste!" Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Museumsberatung?


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